Die häufigste Form der Rückenmarkverletzungen, auf die man im Tauchsport treffen wird, ist die Querschnittlähmung. Bei einer Querschnittlähmung ist - meistens durch einen Unfall das Rückenmark ganz oder teilweise durchtrennt. Das bedeutet, dass bestimmte Körperregionen nicht mehr durch das Nervensystem angesteuert werden und somit nicht mehr gezielt eingesetzt werden können.


Die Auswirkungen auf den Körper richten sich nach der Höhe der

Rückenmarkverletzung. Die Einteilung der Höhe richtet sich danach, welcher Teil der Wirbelsäule betroffen ist. Die Wirbelsäule besteht aus sieben Hals- (cervicalen), zwölf Brust (thoracalen) und fünf Lendenwirbeln (lumbalen) sowie bis zu sieben miteinander

verschmolzenen Wirbeln, die das Kreuz- und Steißbein bilden.


Eine Querschnittlähmung auf T 5 bedeutet also, dass das Rückenmark auf der Höhe des fünften Brustwirbels verletzt ist, L 3 bedeutet auf Höhe des dritten Lendenwirbels, C 6 auf der Höhe des sechsten Halswirbels etc.


Man unterscheidet zwischen Tetra- und Paraplegikern. Bei Tetraplegikern sind alle vier Gliedmaßen von mehr oder weniger ausgeprägten Lähmungen betroffen. Dies geschieht bei

Verletzungen des Rückenmarks oberhalb des zweiten Brustwirbels.

Bei Paraplegikern sind ausschließlich die Beine betroffen. Eine Lähmung wird auch Parese genannt, sie kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein, eine Plegie ist eine komplette Lähmung.


Ein anderes Unterscheidungsmerkmal ist die Einteilung in komplette und inkomplette Querschnittlähmung. Bei einer kompletten Querschnittlähmung ist der Betroffene nicht in der Lage, seine

Extremitäten kontrolliert zu bewegen und hat somit keine Funktion darin. Bei einer inkompletten Querschnittlähmung ist der Betroffene, abhängig von der Höhe seiner Verletzung, in der Lage einige Muskeln oder Muskelgruppen zu gebrauchen.


Man spricht aber auch von einer inkompletten Querschnittlähmung, wenn der Betroffene keine Muskeln oder Muskelgruppen bewegen kann, aber Sensibilität bewusst wahrnehmen kann. Eine theoretische

Einteilung macht hier keinen Sinn, da die Situation bei jedem Menschen eine andere sein wird. Z. B. zwei Taucher mit einer inkompletten Querschnittlähmung auf der Höhe T 7. Der Eine ist in der Lage, seine Füßlinge selber anzuziehen, weil er Teile seiner Fußmuskulatur kontrollieren kann, während der Andere hierzu nicht in der Lage ist, dafür aber mehr Rumpfstabilitäl besitzt.

 

Oft ist bei Rückenmarkverletzten Tauchern auch die Lungenfunktion eingeschränkt, weswegen eine tauchärztliche Kontrolle sehr wichtig ist. Auch sollte die Auftauchgeschwindigkeit im Bereich berhalb 10 Meter nicht höher als 5 Meter pro Minute betragen. Der Atemregler sollte von guter Qualität sein, im Sinne eines niedrigen Einatemwiderstandes. Wichtig ist es also vorab zu klären, welche Funktionen oder Fähigkeiten jemand trotz seiner Einschränkung hat.

 

Tauchrelevantes

Aufgrund der schlechteren Versorgung des Gewebes in den (teilweise) gelähmten Gliedmaßen sollte man immer darauf achten, das Verletzungsrisiko zu minimieren. Verletzungen heilen sehr viel langsamer. So ist es z. B. absolut notwendig, schon während des Schnuppertauchens oder während der Schwimmbadausbildung darauf zu achten, dass entweder Neoprenschuhe, Füßlinge oder zumindest Socken getragen werden, um Verletzungen der Füße zu verhindern.

Das Kapital eines Rollstuhlfahrers ist sein Gesäß. Darum ist es absolut notwendig, dieses so gut wie möglich zu schützen. Auch schon kurze Zeiten ohne ausreichende Polsterung kann zu wunden Stellen oder sogar zum Dekubitus führen (lokaler Schädigung der Haut und des darunterliegenden Gewebes aufgrund von längerer Druckbelastung).  Dieses hat unter Umständen sogar lange Krankenhausaufenthalte zur Folge. Man sollte darum überall bei Transfers ins und aus dem Wasser immer mit dicken Gummimatten arbeiten.

 

In der Regel haben alle Querschnittgelähmte eine schwere Operation am Rücken hinter sich. Aufgrund der Operation hat sich Narbengewebe gebildet, das man als "langsames" Gewebe betrachten sollte. Das heißt, dass dort der Stickstoff langsamer abgebaut wird. Darum sollte man die Tauchgänge eher konservativ planen. Die gelähmten Teile sind weniger durchblutet und damit als "langsames Gewebe" zu berücksichtigen.

 

Bei vielen Querschnittgelähmten kommt es zu einer Blasen- und Mastdarmlähmung. Das bedeutet, dass Blasen- und Darmfunktion nicht oder nur teilweise kontrolliert werden können (siehe "lnkontinenz").

 

Ein ganz besonderes Augenmerk sollte auf der Rumpfstabilität liegen. Rumpfstabilität ist das Maß dafür, wie sehr ein Querschnittgelähmter in der Lage ist, frei (d. h. ohne Unterstützung durch Rücken- oder Armlehne) zu sitzen. Es ist also wichtig abzuklären, ob jemand ausreichend Rumpfstabilität besitzt, bevor man ihn einfach auf dem Beckenrand absetzt und dann andere Tätigkeiten ausführt. Einen guten Hinweis über die vorhandene Rumpfstabilität ergibt sich aus der Höhe der Rückenlehne des Rollstuhls. Je niedriger sie ist, desto mehr Rumpfstabilität ist vorhanden.

 

Ein anderer tauchrelevanter Punkt ist die Wärmeregulation. Diese ist oft gestört. Aufgrund der Verletzung des Rückenmarks kann die Körpertemperatur nicht durch Schwitzen konstant gehalten werden. Das bedeutet vor allem in wärmeren Gefilden und auch im Hallenbad, dass man sich nicht zu lange in voller Ausrüstung außerhalb des Wassers aufhalten sollte, weil es sonst zu einem Hitzestau kommen kann. Abhilfe kann man durch nasse Handtücher oder durch

herkömmliche Wasserzerstäuber schaffen.

 

Auch sollte bei Betroffenen noch mehr als sonst auf eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme geachtet werden. Aufgrund der oft verminderten Muskelaktivität / Muskelmasse und weniger natürlicher Wärmeisolation (Biopren) ist es aber auch so, dass kältere Temperaturen zu einem Problem führen können. Deshalb ist bei kalter Witterung darauf zu achten, dass ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, die die Körpertemperatur wieder normalisieren (Decken, Tee etc.).

 

Einige Menschen, vor allem jene mit einer inkompletten Querschnittlähmung, haben Probleme mit Spastiken. Das sind unwillkürlich auftretende, krampfartige Bewegungen in der Muskulatur, die mitunter sehr schmerzhaft sein können. Auslösende Faktoren können z.B. Kälte oder Berührungen sein. Deshalb ist es wichtig für den Tauchlehrer zu wissen, welche Faktoren eine  Spastik auslösen können.

Beispiel: Beim Tauchen in einem Baggersee bemerkt der Tauchlehrer, dass die Sprungschicht, die normalerweise auf elf Metern Tiefe liegt, sich heute bei acht Metern befindet Da er einen querschnittgelähmten Taucher in seiner Gruppe hat, von dem er weiß, dass er bei Kälte zu Spastiken neigt, wird der Tauchgang oberhalb der Sprungschicht

durchgeführt. Dieser Punkt sollte unbedingt angesprochen werden, da eine einschießende Spastik vor allem unter Wasser schwere Komplikationen auslösen kann.

 

Für alle Rückenmarksverletzten mit reduzierter Lungenfunktion gilt: keine größeren Anstrengungen unter und über Wasser sowie eine Auftauchgeschwindigkeit von 10 Meter pro Minute bis 10 m Tiefe, dann 5 Meter pro Minute!

                                     

Checkliste Rückenmarkverletzungen - Fragen vorab:

  • • welche Höhe der Rückenmarksverletzung.
  • • komplett / inkomplett
  • • Bewegungsmöglichkeiten Arme! Beine
  • • Medikamente

 

Denke dran!

  • • Unterlage zum Sitzen
  • • Schutz für die Füße
  • • Rumpfkontrolle (evtl. stützen)
  • • Temperaturregulation (Kälte! Wärme)
  • • Katheterversorgung bei lnkontinenz
  • • Spastik auslösende Faktoren
  • • Ruhe / Platz beim Anziehen der Ausrüstung
  • • Abstand halten beim Tauchen
  • • Tauchprofil konservativ halten (Narbengewebe)

 

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